Open-Source-Saatgut-Initiative will Patentierung von Saatgut verhindern
David Gutierrez
Mit einer öffentlichen Zeremonie initiierte eine Koalition aus Landwirten, Wissenschaftlern und Aktivisten für nachhaltige Ernährung am 16. April das »Open Source Seed Pledge«[Open-Source-Saatgut-Versprechen]. Dabei handelt es sich um ein paralleles Lizenzsystem, durch das gewährleistet werden soll, dass Saatgut allgemein zugänglich bleibt und nicht von Privatinteressen patentiert wird.
Bei einer Zeremonie an der University of Wisconsin-Madison gaben Pflanzenforscher die Samen von 29 neuen Sorten von Brokkoli, Sellerie, Kohl, Quinoa und anderem Gemüse und Getreide frei, die diesem Versprechen unterliegen.
»Diese Gemüsesorten sind Teil unseres gemeinsamen kulturellen Erbes, und unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass diese Samen öffentlich zugänglich bleiben, sodass Menschen sie auch inZukunft nutzen können«, sagte der Pflanzenzüchter und Mitverfasser des Versprechens Irwin Goldman, der als Professor an der Universität Madison unterrichtet.
Inspiriert von der Software-Community
Das Versprechen ist ein Versuch der Open Source Seed Initiative (OSSI), die 2011 ins Leben gerufen wurde. Sie soll als Gegengewicht zu dem zunehmenden Druck der Agrarkonzerne fungieren, die versuchen, sich für praktisch den gesamten Saatgutbestand der Welt Patente zu sichern. Die Mitglieder von OSSI, zu denen Landwirte, Pflanzenzüchter und Verfechter nachhaltiger Nahrungsmittel zählen, sind besorgt, dass es, wenn dieser Trend anhält, für unabhängige Landwirte und Züchter irgendwann unmöglich sein wird, eigenes Saatgut aufzuheben oder eigene Sorten zu entwickeln, ohne Gebühren an private Firmen entrichten zu müssen. Für kommerziell angebauten Mais und Sojabohnen existiert eine solche Lage praktisch schon, auch Getreide, Gemüse und Früchte werden immer häufiger patentiert.
»Schon jetzt ist der Handlungsspielraum für viele Züchter beschnitten. Sie können nicht tun, was sie wollen und so oft sie es wollen«, sagte Jack Kloppenburg, Autor des Buchs First the Seed[Zuerst das Saatgut] und einer der geistigen Väter der OSSI. Inspiriert wurde die OSSI von der Open-Source-Software-Bewegung, die Software entwickelt und mit dem vollen Code freigibt. Das erlaubt den Entwicklern, die Software untereinander schnell zu überprüfen, zu verbessern und neue daraus zu entwickeln.
Da die OSSI Probleme hatte, eine volle Open-Source-Lizenz für Samen zu entwickeln, beschloss die Gruppe, mit einem einfacheren Schritt zu beginnen: dem Open-Source-Saatgut-Versprechen. Ein Aufdruck auf der Packung besagt, dass jeder, der sie öffnet, sich verpflichtet, das enthaltene Saatgut und alle seine Abkömmlinge und Derivate (einschließlich neuer daraus gezüchteter Sorten) öffentlich zugänglich zu belassen.
»Es ist fast wie ein Haiku«, sagt Goldman. »Es sagt im Wesentlichen, dass dieses Saatgut auf jede gewünschte Weise genutzt werden darf. Es kann nicht patentiert werden. Erfreuen Sie sich daran.« »Es erzeugt ein paralleles System, einen neuen Raum, in dem Züchter und Landwirte Saatgut tauschen können«, sagte Kloppenburg. »Und da es sich auch auf Abkömmlinge bezieht, bedeutet es einen expandierenden Pool an Keimplasma, das jeder Pflanzenzüchter frei nutzendarf.«
Wie Goldman betont, ist das Open-Source-Saatgut-Versprechen nicht notwendigerweise ein Ersatz für die traditionelle Lizenzierung. Goldman hat zwei neue Karottensorten unter dem Versprechen freigegeben, plant aber auch andere Sorten über die Patentierungs- und Lizenzabteilung der Universität Madison zu lizenzieren. Wie er sagt, plant er, alle Sorten konventionell lizenzieren zu lassen, von denen er hofft, dass große Saatgutunternehmen sie übernehmen, beispielsweise Karotten mit größerer Widerstandskraft gegen Krankheiten.
Er betonte jedoch, Züchter sollten nicht meinen, der einzige Weg zu finanziellem Erfolg führe über eine konventionelle Lizenzierung. »Es gibt hier wirtschaftliche Chancen. Sie können dieses Open-Source-Saatgut genauso verkaufen wie jedes andere Saatgut. Der Unterschied ist, dass der Empfänger damit etwas unternehmen kann, und das ist doch erfreulich.«
Mitglieder der OSSI hoffen, dass das Versprechen nur der erste Schritt beim Aufbau einer Vielzahl von öffentlich zugänglichem Saatgut sein wird. »Es ist die Geburtsstunde einer Bewegung«, sagte Kloppenburg. »Open Source heißt Teilen, und das Teilen von Saatgut kann die Grundlage eines nachhaltigeren und gerechteren Systems der Nahrungsmittelversorgung sein.«
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