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Die neokonservative Ideologie macht sich stark für den Finanzimperialismus

29.03.2015 22:38

Die neokonservative Ideologie »macht sich stark für den Finanzimperialismus
und den militärisch-politischen Imperialismus der USA«

Dr. Paul Craig Roberts und The Saker

Paul Craig Roberts packt aus und drischt auf die siechende Supermacht
USA ein. Wütend watscht er das kriegswütige Establishment ab. Er schildert die
unfassbare Macht des militärisch-industriellen Komplexes, er entlarvt die
politische Kaste als Hampelmann der Hochfinanz und der Israel-Lobby und
beschreibt die Diktatur, die Neokonservative in dem Land errichtet haben.
US-Präsidenten sind in diesem mafiosen Netzwerk des »tiefen amerikanischen
Staates« laut Roberts lediglich »Gefangene.« Die eigentliche Macht ist ein
Bündnis von Neokonservativen und privaten Interessen wie Großbanken,
Agro-Industrie und Rohstoff-Konzernen.


Diese haben sich laut dem Publizisten und Mit-Architekten von Reagans
Wirtschaftsprogramm zusammengerauft. Sie verfolgen das alleinige Ziel, Amerikas
Hegemonie zu sichern. In einem packenden Interview mit »The Saker«, einem
ehemaligen Militär-Analysten und russischen Immigranten, der jetzt in Florida
lebt, lässt Roberts kaum ein gutes Haar an Bankern, Mainstream-Medien und der
amerikanischen Expansions-Ideologie. Diese kenne nur Vasallen oder Feinde ...


The Saker: Viele Menschen, wenn nicht gar die meisten, haben
inzwischen erkannt, dass die USA weder eine Demokratie noch eine Republik sind.
Sie sind vielmehr eine Plutokratie, gesteuert von einer kleinen Elite, die
manche als das »eine Prozent« bezeichnen. Andere sprechen vom »Deep State« oder
Staat im Staat. Ich möchte Sie um Folgendes bitten: Wie würden Sie den Einfluss
und die Macht der nachfolgend genannten Gruppierungen bewerten? Wer davon steht
ganz oben und fällt die wichtigen Entscheidungen, wer rangiert bei den realen
Machtstrukturen nur im Mittelfeld und muss die Entscheidungen umsetzen? (Die
Namen sind nicht in einer bestimmten Ordnung aufgeführt)



  • US-Notenbank (Federal Reserve,
    Fed)


  • Big Banking


  • Bilderberger


  • Council on Foreign Relations


  • Skull & Bones


  • CIA


  • Goldman Sachs und andere Großbanken


  • »Top-100-Familien« (Rothschild, Rockefeller, das niederländische
    Königshaus, das britische Königshaus etc.)


  • die Israel-Lobby


  • die Freimaurer und ihre Logen


  • Big Business: Big Oil, der militärisch-geheimdienstliche Komplex
    usw.

Fehlen Ihnen noch Personen oder Gruppierungen? Wer hat Ihrer Meinung
nach davon in der derzeitigen politischen Landschaft der USA das
Sagen?

Paul Craig Roberts: Die USA werden von privaten Interessengruppen beherrscht
und von der neokonservativen Ideologie, die besagt, dass die USA von der
Geschichte ausgewählt wurden als »außergewöhnliches und unentbehrliches« Land,
dessen Recht und Verantwortung es ist, dem Rest der Welt seinen Willen
aufzuzwingen.

Unter den privaten Interessengruppen sind meiner Meinung nach am
mächtigsten:



  • der militärisch-industrielle Komplex


  • die vier, fünf »Too big to fail«-Banken und die Wall Street


  • die Israel-Lobby


  • das Agribusiness und


  • die Rohstoffindustrien (Öl, Bergbau, Holz)

Die Ziele dieser Interessengruppen decken sich mit denen der
Neokonservativen. Die neokonservative Ideologie macht sich stark für den
finanziellen und militärisch-politischen Imperialismus beziehungsweise die
Hegemonie Amerikas.

Es gibt keine unabhängigen Print- oder TV-Medien in den USA. Während der
letzten Jahre der Regierung Clinton gehörten sechs Großkonzernen 90 Prozent der
Print- und TV-Medien. Während der Regierung Bush büßte das National Public
Radio
seine Unabhängigkeit ein. Die Medien fungieren also als
Propagandaministerium.

Beide Parteien, Republikaner wie auch Demokraten, sind für ihre
Wahlkampffinanzierung von denselben privaten Interessengruppen abhängig,
entsprechend tanzen beide Parteien nach dem Lied, das ihnen ihre Herren
vorgeben. Die Auslagerung von Arbeitsplätzen hat die Gewerkschaften in der
verarbeitenden Industrie und der Schwerindustrie vernichtet und dafür gesorgt,
dass die Demokraten keine politische Unterstützung mehr von den Gewerkschaften
erhalten. Früher vertraten die Demokraten die arbeitende Bevölkerung, die
Republikaner die Wirtschaft.

Die Notenbank ist für die Banken da, speziell für die Großbanken. Die
Fed wurde als Lender of last resort mit dem Auftrag geschaffen,
Bankenpleiten im Zuge von Runs oder dem Abzug der Spareinlagen abzuwenden. Im
Vorstand der für finanzielle Interventionen zuständigen New York Fed
sitzen Manager der Großbanken. Die letzten drei Chairmen der Federal
Reserve
waren Juden und der derzeitige stellvertretende Chairman hat früher
die israelische Zentralbank geleitet. In den vergangenen Jahren waren die
Finanzminister und die Leiter der Finanzaufsichtsbehörden exakt jene
Bankmanager, die mit ihren Betrügereien und ihrer Überschuldung die vorige
Finanzkrise eingeleitet haben.

Federal Reserve und Finanzministerium haben im 21. Jahrhundert
einzig die Interessen der Großbanken bedient. Das ging zulasten der Wirtschaft
und der Bevölkerung. Rentner beispielsweise haben seit acht Jahren keinerlei
Zinseinnahmen bekommen, weil es gewünscht war, dass die Kreditinstitute zinsfrei
Geld leihen können und Gewinne machen.

Egal wie reich manche Familien auch sein mögen - mit einflussreichen
Interessengruppen wie dem militärisch-geheimdienstlichen Komplex, der Wall
Street
und den Banken können sie nicht mithalten. Lang etabliertes Vermögen
ist durchaus imstande, seine Interessen zu wahren. Einige - wie die Rockefellers
- verfügen über Aktivisten-Stiftungen, die höchstwahrscheinlich eng mit der
Stiftung National Endowment for Democracy zusammenarbeiten. Sie
finanzieren und fördern verschiedene proamerikanische
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Ländern, in denen die USA mehr Einfluss
oder einen Regierungswechsel anstreben, so wie es in der Ukraine geschah. Die
NGOs sind im Grunde die Fünfte Kolonne der USA und treten nach außen ein für
Dinge wie »Menschenrechte«, »Demokratie« und so weiter. Mir hat ein chinesischer
Professor erklärt, die Rockefeller Foundation habe in China eine
Amerikanische Universität ins Leben gerufen und organisiere von dort aus
unterschiedliche regierungskritische Stimmen. Es gab einmal Hunderte NGOs in
Russland (und gibt es möglicherweise noch), die mit amerikanischem und deutschem
Geld finanziert wurden. Es waren möglicherweise bis zu 1000.

Ich weiß nicht, ob die Bilderberger genauso vorgehen. Vielleicht sind es nur
extrem reiche Personen, die ihre Schützlinge in den Regierungen sitzen haben,
damit die für sie dort ihre Interessen wahren. Ich habe noch keine Anzeichen
dafür gesehen, dass die Bilderberger, Freimaurer oder Rothschilds Einfluss auf
Entscheidungen des Kongresses oder der Regierung genommen haben.

Das Council for Foreign Relations dagegen verfügt über Einfluss. Die
Denkfabrik setzt sich zusammen aus ehemaligen Regierungsvertretern und
Akademikern, die sich mit Außenpolitik und Außenbeziehungen befassen.
Foreign Affairs, das Magazin des Councils, ist das wichtigste
außenpolitische Forum. Auch einige Journalisten sind Mitglieder. Ich wurde in
den 1980er-Jahren für eine Aufnahme vorgeschlagen, jedoch abgelehnt.

Skull & Bones ist eine Geheimbruderschaft der Universität Yale.
Derartige geheime Bruderschaften gibt es an einer Reihe von Universitäten. Die
Universität von Virginia beispielsweise hat eine, ebenso die Universität von
Georgia. Diese Bruderschaften streben nicht insgeheim danach, die Regierung zu
übernehmen oder die Macht an sich zu reißen. Ihr Einfluss beschränkt sich auf
den persönlichen Einfluss ihrer Mitglieder, bei denen es sich zumeist um die
Söhne von Elitefamilien handelt. Meiner Meinung nach existieren diese Bünde zu
dem Zweck, ihren Mitgliedern einen Elitestatus zu verleihen. Praktischen Nutzen
haben sie nicht.

The Saker:  Und was ist mit einzelnen Personen? Wer sind
Ihrer Meinung nach heutzutage die wichtigsten Personen in den USA? Wer fällt
letztlich die grundlegenden, die strategischen Entscheidungen?

Paul Craig Roberts: Es gibt eigentlich keine für sich genommen mächtigen
Personen. Mächtig sind diejenigen, die eine einflussreiche Interessengruppe
hinter sich wissen. Seit Verteidigungsminister William Perry 1991 so große Teile
des Militärs privatisierte, verfügt der militärisch-geheimdienstliche Komplex
über gewaltige Macht. Verstärkt wird diese noch durch die Fähigkeit des
Komplexes, Wahlkämpfe zu finanzieren, und durch die Tatsache, dass er in vielen
Bundesstaaten ein wichtiger Arbeitgeber ist. Vor allem die Ausgaben des
Pentagons werden durch Rüstungsfirmen kontrolliert.

The Saker:  Ich war immer der Auffassung, dass auf der
internationalen Bühne Organisationen wie die NATO, die EU und wie sie alle
heißen nur eine Tarnung sind. Das wahre Bündnis, das den Planeten kontrolliert,
ist meiner Meinung nach der Zusammenschluss der Echelon-Länder: die USA,
Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland oder auch »AUSCANNZUKUS« (oder
»die Anglosphäre« oder die »Fünf Augen«), wobei die USA und Großbritannien die
Seniorpartner sind, während Kanada, Australien und Neuseeland Juniorpartner
sind. Stimmt dieses Modell?

Paul Craig Roberts: Die NATO wurde von den USA mit der Begründung erschaffen,
man wolle Europa vor einem Einmarsch der Sowjets schützen. Dieser Zweck war ab
1991 hinfällig. Heutzutage dient die NATO als Deckmantel für US-amerikanische
Aggression und führt dem amerikanischen Imperium Söldnertruppen zu.
Großbritannien, Kanada, Australien sind allesamt nur Vasallenstaaten der USA,
ganz genauso wie Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und der Rest. Es gibt
keine Partner, nur Vasallen. Es ist Washingtons
Imperium, sonst gehört es niemandem. Die USA mögen die EU, denn sie ist
einfacher zu kontrollieren als die einzelnen Länder.

The Saker:  Man hört immer wieder, dass Israel die USA
kontrolliert. Politkommentator Noam Chomsky und andere erklären, es seien die
USA, die Israel kontrollieren. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Israel und
USA bezeichnen - wedelt der Hund mit dem Schwanz oder der Schwanz mit dem Hund?
Würden Sie sagen, dass die Israel-Lobby die USA völlig kontrolliert oder gibt es
noch Mächte, die imstande sind, sich der Israel-Lobby entgegenzustellen und ihre
eigenen Ziele durchzudrücken?

Paul Craig Roberts:  Ich habe keinerlei Beweise dafür gesehen, dass die USA
Israel kontrollieren. Alle Beweise sprechen vielmehr dafür, dass Israel die USA
kontrolliert, aber auch nur in Fragen der Nahostpolitik. In den vergangenen
Jahren mischten sich Israel oder die Israel-Lobby in die Vergabe akademischer
Posten in den USA und die Festanstellung von Professoren ein mit der Begründung,
dass die Kandidaten als israelkritisch galten. Sowohl in katholischen wie auch
in staatlichen Hochschulen hat Israel auf diese Weise erfolgreich
Festanstellungen und Berufungen blockiert. Israel kann auch einige
Personalentscheidungen des Präsidenten blockieren und verfügt über gewaltigen
Einfluss auf Print- und TV-Medien.

Die Israel-Lobby hat zudem reichlich Geld für politische Kampagnen. Es ist
ihr bislang noch immer gelungen, Mitglieder des Repräsentantenhauses und
Senatoren abwählen zu lassen, die ihr als israelkritisch galten. Die
Israel-Lobby konnte sich in den schwarzen Wahlkreis der schwarzen
Kongressabgeordneten Cynthia McKinney einmischen und ihre Wiederwahl verhindern.
Wie Admiral Tom Moorer, Marinechef und Generalstabschef, sagte: »Kein
amerikanischer Präsident kann sich Israel widersetzen.«
Als Israel 1967
einen Angriff auf die USS Liberty durchführte und dabei Menschen
starben, konnte Moorer die Angelegenheit noch nicht einmal offiziell untersuchen
lassen.

Wer auch immer Israels Politik kritisiert, und sei es hilfreich gemeint, wird
als »Antisemit« abgestempelt. In Amerika ist das in der Politik, den Medien und
an den Hochschulen gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Man könnte sich
genauso gut mit einer Hellfire-Rakete beschießen lassen.

The Saker:  Ich hatte eingangs zwölf Gruppierungen genannt.
Wer davon war Ihrer Meinung nach federführend bei Planung und Durchführung der
unter falscher Flagge durchgeführten Anschläge vom 11. September? Es ist kaum
vorstellbar, dass all das zwischen der Amtseinführung von George W. Bush und dem
11. September geplant und vorbereitet wurde. Es muss also in den Jahren der
Regierung Clinton in die Wege geleitet worden sein. Stimmt es nicht, dass der
Bombenanschlag von Oklahoma City ein Probelauf für 9/11 war?

Paul Craig Roberts: Meiner Meinung nach war 9/11 das Produkt der
Neokonservativen - von denen fast alle jüdisch sind −, von Dick Cheney und
Israel. Zweck war es, für ein »neues Pearl Harbor« zu sorgen. Nach Ansicht der
Neokonservativen war das nötig, um die Eroberungskriege im Nahen Osten
starten zu können. Ich weiß nicht, mit wie viel Vorlauf das geplant wurde, aber
Immobilien-Investor Larry Silverstein war offensichtlich beteiligt und ihm
gehörte das World Trade Center erst seit Kurzem.

Was den Bombenanschlag auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City
angeht: Luftwaffengeneral Benton Partin, Munitionsexperte der Air
Force
, legte einen Expertenbericht vor, der zweifelsfrei bewies, dass das
Gebäude von innen nach außen explodierte und dass die Lkw-Bombe nur eine Tarnung
war. Der Kongress und die Medien ignorierten den Bericht. Der Sündenbock Timothy
McVeigh war zu diesem Zeitpunkt bereits in Stellung gebracht und das war die
einzige Geschichte, die man zulassen wollte.

The Saker: Die Personen, die heute in den USA das Sagen
haben - ist denen Ihrer Meinung nach bewusst, dass sie sich auf einem
Kollisionskurs mit Russland befinden, der in einen thermonuklearen Krieg münden
könnte? Falls ja, warum gehen sie ein derartiges Risiko ein? Glauben sie
wirklich, dass die Russen in letzter Sekunde »zucken« und zurückrudern? Oder
glauben sie womöglich, einen Atomkrieg gewinnen zu können? Haben sie keine
Angst, in einer nuklearen Auseinandersetzung alles zu verlieren, und zwar nicht
nur ihre Macht, sondern auch ihr Leben?

Paul Craig Roberts: Das verblüfft mich ganz genauso wie Sie. Ich glaube,
Washington hat in seinem Größenwahn und seiner Arroganz völlig die Bodenhaftung
verloren und ist mehr oder weniger durchgedreht. Zudem gibt es tatsächlich
Stimmen, die behaupten, ein Atomkrieg gegen Russland sei zu gewinnen. 2005 oder
2006 gab es einen entsprechenden Bericht in Foreign Affairs. Der
Glaube, einen Atomkrieg gewinnen zu können, wurde durch das Vertrauen gestärkt,
das man dem Raketenschild entgegenbringt. Der Theorie zufolge können die USA
Russland in einem Erstschlag so hart treffen, dass Russland aus Furcht vor einer
zweiten Angriffswelle keine Vergeltungsmaßnahmen treffen würde.

The Saker: Wie bewerten Sie den derzeitigen Zustand des
Imperiums? Über viele Jahre hinweg haben wir einen Verfall beobachtet, aber
bislang keine Spur von einem sichtbaren Zusammenbruch. Halten Sie einen
derartigen Kollaps für unausweichlich und falls nicht, wie wäre er zu
verhindern? Werden wir es erleben, dass der US-Dollar eines Tages wertlos wird
oder ein anderes Ereignis den Untergang des Imperiums herbeiführt?

Paul Craig Roberts: Die US-Wirtschaft ist ausgehöhlt, seit Jahrzehnten wächst
das reale mittlere Haushaltseinkommen nicht mehr. Alan Greenspan hat in seiner
Zeit als Fed-Vorsitzender die Ausweitung der Verbraucherkredite dazu
genutzt, die Lücke zu füllen, die das fehlende Wachstum der Verbrauchereinnahmen
gerissen hat. Aber mittlerweile ist die Bevölkerung zu stark verschuldet, um
noch mehr Geld aufzunehmen. Es fehlt also etwas, das die Konjunktur antreibt. Es
wurden so viele Jobs in der Herstellung und im Bereich der handelbaren
Dienstleistungen ausgelagert, dass die Mittelklasse geschrumpft ist.
Hochschulabsolventen gelingt es nicht, eine Beschäftigung zu finden, die ihnen
eine unabhängige Existenz erlaubt. Also können sie keinen Hausstand gründen,
keine Häuser kaufen, keine Haushaltsgeräte und Möbel. Die Regierung misst eine
geringe Inflation, indem sie die Inflation nicht misst, und sie
misst geringe Arbeitslosenzahlen, indem sie die Arbeitslosigkeit nicht misst.
Die Finanzmärkte sind manipuliert und trotz steigender Nachfrage wird der
Goldpreis gedrückt, indem auf dem Futures-Markt ungesicherte Leerverkäufe
getätigt werden. Es ist ein Kartenhaus, das länger stehengeblieben ist, als ich
es für möglich gehalten hätte. Offensichtlich kann es überdauern, bis der Rest
der Welt aufhört, den US-Dollar als Leitwährung zu nutzen.

Als das Imperium Europa in den Konflikt mit Russland hineinzog, hat es Europa
möglicherweise zu stark belastet. Sollte beispielsweise Deutschland aus der NATO
ausscheren, würde das Imperium kollabieren, genauso wenn Russland clever genug
wäre, Griechenland, Italien und Spanien zu finanzieren und dafür im Gegenzug zu
verlangen, dass sie Euro und EU aufgeben. Das wäre ein tödlicher Schlag für das
Imperium.

Alternativ könnte Russland Europa sagen: »Wir haben keine andere Wahl.
Nachdem sich Europa den USA bei dem Krieg gegen Russland angeschlossen hat,
müssen wir Atomwaffen auf die Hauptstädte Europas richten.«

The Saker: Russland und China haben etwas Einzigartiges
getan. Sie sind über das traditionelle Modell der Bündnispartnerschaft
hinausgegangen und haben vereinbart, gegenseitig voneinander abhängig zu werden.
Man könnte sagen, sie haben eine Symbiose vereinbart. Glauben Sie, dass die
Führer des Imperiums begriffen haben, was für ein umwälzendes Ereignis hier
gerade stattfindet, oder verschließen sie einfach ganz fest die Augen, weil
ihnen die Realität zu viel Angst macht?

Paul Craig Roberts: Der Russlandforscher Stephen Cohen sagt, es gibt schlicht
keinerlei außenpolitische Debatten. Nichts, keine Diskussionen. Ich denke, das
Imperium glaubt, Russland und China destabilisieren zu können. Das ist einer der
Gründe, weshalb Washington in Armenien, Kirgisien und Usbekistan an
Farbrevolutionen arbeitet. Washington ist fest entschlossen, den Aufstieg
anderer Mächte zu verhindern, und in seinem Größenwahn und seiner Arroganz
glaubt Washington womöglich sogar, damit Erfolg haben zu können. Schließlich
wurde doch Washington von der Geschichte ausgewählt.

The Saker: Sind Ihrer Meinung nach Präsidentschaftswahlen
noch von Bedeutung? Falls ja, wie sehen Ihre Hoffnungen für 2016 aus? Ich habe
sehr große Angst vor Hillary Clinton, die ich für eine außergewöhnlich
gefährliche und geradezu teuflische Person halte. Können wir angesichts der
Macht, die die Neokonservativen derzeit innerhalb der Republikanischen Partei
genießen, wirklich darauf hoffen, dass die Partei einen Kandidaten nominiert,
der nicht zu den Neokonservativen zählt?

Paul Craig Roberts: Von Bedeutung wäre eine Präsidentschaftswahl nur dann,
wenn der gewählte Präsident eine starke Bewegung hinter sich wüsste. Ohne diese
Bewegung verfügt der Präsident über keine unabhängige Machtbasis und kann
niemanden berufen, der seine Befehle befolgt. Präsidenten sind Gefangene. Reagan
hatte eine Art Bewegung hinter sich, gerade so viel, dass wir gegen den
Widerstand der Wall Street die Stagflation aus der Welt schaffen
konnten und dass wir gegen den Widerstand von CIA und
militärisch-geheimdienstlichem Komplex den Kalten Krieg beenden konnten. Hinzu
kommt, dass Reagan sehr alt war und aus einer ganz anderen Zeit stammte. Er ging
davon aus, dass ihm das Amt des Präsidenten viel Macht verlieh, und handelte
entsprechend.

The Saker:  Was ist mit den Streitkräften? Können Sie sich
vorstellen, dass ein Generalstabschef erklärt: »Nein, Mr. President, das ist
verrückt, das werden wir nicht tun!«? Oder erwarten Sie, dass die Generäle alle
Befehle befolgen, bis hin zu dem, einen Atomkrieg gegen Russland zu beginnen?
Hegen Sie die Hoffnung, dass das US-Militär eingreift und die »Irren« aufhält,
die derzeit im Weißen Haus und im Kongress an der Macht sind?

Paul Craig Roberts: Das US-Militär ist ein Geschöpf der Rüstungsindustrie.
Der ganze Sinn und Zweck des Generalwerdens besteht darin, sich für das Amt des
Beraters der »Verteidigungs«industrie zu qualifizieren oder es in den
Aufsichtsrat eines »Verteidigungs«unternehmens zu schaffen. Das Militär dient
als Art Altenteil, während die Generäle andernorts richtig Geld verdienen. Das
US-Militär ist durch und durch korrupt. Lesen Sie Andrew Cockburns Buch Kill
Chain
.

The Saker:  Wenn die USA tatsächlich vorsätzlich einen Kurs
eingeschlagen haben, der zum Krieg mit Russland führt, was sollte Russland da
tun? Sollte Russland zurückweichen und es hinnehmen, unterworfen zu werden, wenn
die Alternative in einem thermonuklearen Krieg besteht? Oder sollte sich
Russland wehren und damit die Möglichkeit eines thermonuklearen Krieges
akzeptieren? Wenn Russland sehr durchdacht und eindrucksvoll seine Macht unter
Beweis stellt - könnte das einen amerikanischen Angriff abwenden?

Paul Craig Roberts: Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich weiß es nicht.
Bevor er sich an der Vernichtung der Welt beteiligt, ist Putin meiner Meinung
nach Mensch genug, lieber zu kapitulieren. Aber Putin muss sich gegenüber
anderen in Russland verantworten und ich kann mir nicht vorstellen,
dass die Nationalisten eine Kapitulation akzeptieren würden.

Meiner Meinung nach sollte sich Putin auf Europa konzentrieren und Europa
deutlich machen: »Wir rechnen mit einem amerikanischen Angriff und haben in dem
Fall keine andere Wahl als Europa auszulöschen.« Putin sollte Europa ermutigen,
aus der NATO auszusteigen und damit einen Dritten Weltkrieg zu verhindern.

Weiter sollte Putin dafür sorgen, dass China begreift, dass es den USA ganz
genauso wie Russland als Bedrohung gilt, und dass die beiden Länder deshalb
Seite an Seite stehen müssen. Wenn Russland und China ihre Truppen in
Atombereitschaft hielten ... nicht auf der höchsten Stufe, sondern einer erhöhten,
die die Bedrohung durch Amerika verdeutlicht und der Welt diese Gefahr
verdeutlicht ... vielleicht ließen sich die USA dann isolieren.

Wenn die Presse in Indien, in Japan, in Frankreich und Deutschland, in
Großbritannien, in China und Russland berichten würde, dass Russland und China
sich fragen, ob sie als Opfer eines atomaren Präventivschlags der USA auserkoren
wurden, würde das vielleicht dazu führen, den Angriff zu verhindern.

In meinen vielen Interviews mit russischen Medien habe ich den Eindruck
gewonnen, dass man sich in Russland nicht der Wolfowitz-Doktrin bewusst ist. Die
Russen glauben, dass eine Art Missverständnis herrscht, was ihre Absichten
anbelangt. Die russischen Medien begreifen nicht, dass Russland schon deshalb
inakzeptabel ist, weil es kein amerikanischer Vasall ist. Die Russen glauben an
den ganzen westlichen Quatsch von »Freiheit und Demokratie«. Sie glauben, dass
es ihnen an beidem noch fehlt, sie aber Fortschritte erzielt haben. Anders
gesagt: Die Russen haben keine Ahnung, dass sie vernichtet werden
sollen.

The Saker: Woher stammt Ihrer Meinung nach der Hass, den so
viele Mitglieder der amerikanischen Elite auf Russland verspüren? Sind das
Überreste des Kalten Krieges oder gibt es andere Gründe dafür, dass die US-Elite
praktisch durch die Bank russophob ist? Selbst während des Kalten Krieges war ja
unklar, ob die USA antikommunistisch eingestellt waren oder antirussisch. Haben
die russische Kultur, die Nation oder die Zivilisation etwas an sich, das diese
Feindseligkeit auslöst? Und wenn ja, was ist es?

Paul Craig Roberts: Die Feindseligkeit gegenüber Russland geht zurück auf die
Wolfowitz-Doktrin:


»Unser erstes Ziel ist es, das Erstarken eines neuen Rivalen zu
verhindern
sei es auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion
oder andernorts
, der eine Bedrohung in der Größenordnung
darstellt, wie es die ehemalige Sowjetunion war. Diese zentrale Überlegung liegt
der neuen regionalen Verteidigungsstrategie zugrunde und erfordert es, dass wir
jede feindselige Macht daran hindern, eine Region zu dominieren, deren
Ressourcen unter konsolidierter Kontrolle für globale Macht ausreichen
würden.«

Während sich die USA auf ihre Kriege im Nahen Osten konzentrierten, baute
Putin Russland wieder auf und verhinderte, dass Washington wie geplant in Syrien
einmarschierte und den Iran bombardierte. Damit geriet das »erste Ziel« der
neokonservativen Doktrin in Gefahr: Russland musste auf Kurs gebracht werden.
Das ist der Ausgangspunkt für Washingtons Angriffe auf Russland. Die abhängigen
und gefangenen amerikanischen und europäischen Medien käuen einfach die Mär von
der »russischen Bedrohung« für eine Öffentlichkeit wieder, die ahnungslos und
uninformiert ist.

Russlands Kultur dient auch als Reizpunkt - die christlichen
Moralvorstellungen, die Achtung vor Gesetz und Menschlichkeit, das Setzen auf
Diplomatie anstelle von Zwang, die traditionellen gesellschaftlichen Werte −,
aber das ist nur ein Nebenpunkt. Russland wird gehasst, weil Russland (genau wie
China) ein Gegengewicht zur einseitigen Macht Washingtons ist. Dieses
Gegengewicht ist es, das zum Krieg führen wird.

Wenn die Russen und die Chinesen nicht damit rechnen, dass Washington einen
atomaren Präventivschlag gegen sie führt, dann werden sie vernichtet werden.